21 Apr 2017

Julia - Morgenliebe in Lima

Submitted by Hermann

Julia - Morgenliebe in Lima

Kleine Lyrik zum Wochenende

 

Foto: Wikimedia Commons (20130, Skyline von Barranco, Lima, Peru

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Julia – Morgenliebe in Lima

 

Refrain:

Romeo kannte ihren Namen nicht.

Hat sie nie danach gefragt.

Julia sollst Du für mich sein.

Am Tage bist Du mein,

in sehnenden Gedanken.

Nachts machst Du Dich für den Liebsten fein.

Könnt‘ ich doch an seiner Stelle sein!   

Was würd‘ ich Gott dafür danken!

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Erste  Strophe

Es war noch frisch am Sonntagmorgen.

Er wollte den Frühstückstisch besorgen.

Hatte Lust auf duftenden Kaffee, 

Kaffee aus Villa Rica auf blumengeschmücktem Balkon,

mit Sicht über Barranco und blaue pazifische See.

Die Kaffeedose war leer.

Es gab keinen Kaffee mehr.

Er musste in den nächsten Supermarkt laufen,

um seinen geliebten Kaffee zu kaufen.

-

Romeo kannte ihren Namen nicht.

Hat sie nie danach gefragt.

Julia sollst Du für mich sein.

Am Tage bist Du mein,

in sehnenden Gedanken.

Nachts machst Du Dich für den Liebsten fein.

Könnt ich doch an seiner Stelle sein!  

Was würd‘ ich Gott dafür danken!

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Zweite Strophe

Schon in der Tür erblickte er ihr Profil.

Sie saß an der zweiten Kasse, vertieft in ein Magazin.

Noch gab es keine Kunden, es gab nur ihn und sie.

„Kann ich Ihnen helfen? Was suchen Sie?“

Auf ihre Stimme und Lächeln fand er erst keine Worte.

Doch dann antwortete er: „Kaffee, bitte von der besten Sorte.“

Sie ging ihm mit wiegendem Schritt voran,

an vollbeladenen Regalen den Gang entlang.

Oh, Könnt dieser Gang doch endlos sein!

Ihre Silhouette und ihr Parfum hüllten ihn in Träume ein.

„Hier ist Ihr Kaffee aus Villa Rica, darf es noch etwas sein?“

-

Romeo kannte ihren Namen nicht.

Hat sie nie danach gefragt.

Julia sollst Du für mich sein.

Am Tage bist Du mein,

in sehnenden Gedanken.

Nachts machst Du Dich für den Liebsten fein.

Könnt‘ ich doch an seiner Stelle sein!  

Was würd‘ ich Gott dafür danken!

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Dritte Strophe

Von nun an war er früh an jedem Morgen

bei Julia, um den Einkauf zu besorgen.

Sie studierte im zweiten Semester Biologie,

ihr Traumfach, wie sie ihm verriet.

Mit der Arbeit finanzierte sie das Studieren,

wollte zukünftig einen Öko-Hof organisieren.

Julia stammte aus der Nähe von Piura.

Die Mutter schaffte dort auf einer Finca.

Der Vater litt an chronischer Pein.

 Sechs Geschwister waren noch klein.

Der ganze Reichtum der Familie bestand

aus ein paar Hühnern, einem Esel und vierzig Ziegen.

Als Futter im rauen, ariden Land

mussten Blätter und Früchte von Faique und Algarrobo dienen.

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Romeo kannte ihren Namen nicht.

Hat sie nie danach gefragt.

Julia sollst Du für mich sein.

Am Tage bist Du mein,

in sehnenden Gedanken.

Nachts machst Du Dich für den Liebsten fein.

Könnt‘ ich doch an seiner Stelle sein!  

Was würd‘ ich Gott dafür danken!

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Vierte Strophe

Es war an einem Morgen wie jeder andere,

jedoch saß Julia nicht an Kasse zwei.

Ich fragte ihre Kollegin, wo sie denn sei.

Etwa krank? Hat sie eine andere Arbeitszeit?

Nein, die Mutter ist gestorben.

Sie muss jetzt die Geschwister versorgen.

Das Studium sieht sie nie wieder,

stattdessen hat die Armut sie wieder.  

Der Zyklus schließt sich unerbittlich.

Wer arm ist, bleibt arm.

Wer reich ist, ist unersättlich. 

Betrübt nahm er das Joggen am Morgen wieder auf.

Sein Alltag nahm seinen üblichen trübseligen Lauf.

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Romeo kannte ihren Namen nicht.

Hat sie nie danach gefragt.

Julia solltest Du für mich sein.

Am Tage wärst Du mein,

in sehnenden Gedanken.

Nachts machtest Du Dich für den Liebsten fein.

Könnt‘ ich doch an seiner Stelle sein!  

Was würd‘ ich Gott dafür danken!

Nun fließen meine Tage wieder dahin,

wie immer in Lima, ohne Sinn.

 

- Ende -